Krempelt die Digitalisierung das Marketing wirklich komplett um? Steht eine ganze Branche >> under construction <<? Oder, ist es sogar Zeit dem Marketing eine neue Orientierung zu geben?
Nach welchen Marketingverständnis Sie auch immer Ihr Unternehmen oder Ihre Organisation führen, dass sich in den vergangenen 70 Jahren der damals vorherrschende Verkäufermarkt in einen Käufermarkt gewandelt hat, ist Fakt. Ich würde sogar so weit gehen und den Markt, den wir heute vorfinden, als Community-Markt bezeichnen.
Seit 1950 wird jedem Jahrzehnt im Marketing eine eigene und neue Orientierung zugesprochen. Diese Orientierungen formen sich durch die Veränderungen im Konsumentenverhalten, deren Auswahlverhalten sowie deren Handlungs- und Haltungsprinzipien immer wieder neu heraus.
Welchen Beitrag das Marketing, durch den Einsatz neuer technischer Mittel und Medien in der Kommunikation an den Verhaltensänderungen hatte und hat, oder umgekehrt, gleicht der nie geklärten Frage:
>> Wer war zuerst da, die Henne oder das Ei? <<
Während bis 1960 die Handels -und Waren sowie Distributionsorientierung vorherrschte, könnte man ab 1960 von einer ersten Revolution sprechen. Seit damals entwickelt das Marketing Schritt-für-Schritt einen systemorientierteren Zugang und die einstigen Methoden zur Testung und Erfolgsmessung wurden durch Methoden aus der Verhaltensforschung vervielfacht. Die intensive Dialogorientierung der 2000-Jahre führte schon ein paar Jahre davor zu ersten integrierten Marketingverständnissen. Dennoch gelang es nicht, dieses Verständnis der Integration von Instrumenten auf ein Ziel, nachhaltig zu etablieren. Angetrieben von den neuen digitalen Möglichkeiten erwacht dieses Thema. Führt eine ganze Branche vor und führt unter anderem zu Diskursen, die bisweilen rückwärtsgewandt anmuten. Quasi: Nichts gelernt!
Ging es in den 80-er und 90-er Jahren vor allem um die Frage, wie sich das Marketingbudget in Above oder Below-the line-Aktivitäten aufteilt, so stehen sich heute neue Kontrahenten gegenüber: Digital versus Konventional. Wettern um Ihre Existenzberechtigung und um Budgets – ein konstanter Diskurs, befeuert von den jeweiligen Protagonisten. Wenn Sie sich jetzt fragen, welche Instrumente in Konventional und welche in Digital enthalten sind, finden Sie hier meine Interpretation: Digital belongs to Below-the-line.
ATL steht für Instrumente, wie TV, Radio, Print und vieles mehr; verkürzt Instrumente, die eine Breitenwirkung ermöglichen. BTL hingegen steht für den Einsatz von Instrumenten, die einen direkten Kontakt mit der Zielgruppe und den Personas ermöglichen. Instrumente, die auf den Dialog setzen und im besten Fall zu einer konkreten Handlung – dem Kauf – führen.
Wie immer existieren etliche Grauzonen. Man denke nur an Mobile Marketing in Verbindung mit der Ausspielung von TV-Spots. Soweit, so klar. Worum geht es nun bei Digital? Ob bei der Bedarfsdeckung oder nach gelungener Bedarfsweckung durch den Einsatz von Social Media – Marketer 2000, so nenne ich all jene, die bereits im Lehrplan zum Marketer und in der Eigennutzung mit den digitalen (Sozialen) Medien aufgewachsen sind, wollen nur eines: Den unbekannten Lead vom Google-Nirwana auf Ihre Website bringen. Den UQL zum MQL und am besten gleich zum SQL transformieren. Nachsatz: Wenn Sie wissen wollen, wofür diese Abkürzungen stehen, googlen Sie mal. Und nein, UQL bedeutet nicht University of Queensland.
Dass die technologische Entwicklung in den letzten 20 Jahren den Komplexitätsgrad im Marketing deutlich erhöht hat, ist ein Fakt, wie die Veränderungen des Marktes. Während in der großen Zeit der Push-Werbung die Produktion kreativer Kampagnen im Mittelpunkt stand, wurden durch das Digital Marketing Technik und Analyse immer wichtiger. Steht das Marketing vor Herausforderungen, die es eben derzeit noch nicht ausreichend zu bewältigen scheint? Traut man den Studienergebnissen des AMC (Austrian Marketing Club), die angeben, dass 43% der 200 befragten Marketingexperten eine hohe Relevanz durch die Digitalisierung sehen, aber die Umsetzung mangels Systemen und Know-how der Mitarbeiter nicht so schnell von Statten geht, wie erwartet oder erhofft. Keine große Überraschung.
Aber wohin orientiert sich das Marketing, genauer gesagt die Kommunikation, in Zukunft? Transformiert eine Marketing -und Kommunikationsabteilung zu einer Lead Hunting Ranch? Wer, wenn es wie in vielen klein- und mittelgroßen Unternehmen keine Corporate Communication Abteilung gibt, wird sich um die Marke und deren Management kümmern? Wer übernimmt in Zukunft diese Aufgaben, während die Lead Hunter Ihre Beute jagen.
Sie spüren sicher schon worauf ich hinaus will. Nein, noch nicht?
Wenn es eine Frage gibt, deren Antwort immer mehr in den Fokus der Begierde rückt, so ist das, die Antwort auf die Frage: Wozu das alles? Unmöglich, dass das Marketing daran vorbeischlittert. Wie auch? Denn in der Natur des Marketings liegt es diese Frage für viele Konsumenten im Rahmen von Kampagnen oder anderen Kommunikationsaktivitäten zu beantworten. Keine kleine Übung, bei all dem Überfluss. Keine kleine Übung, für das Marketing selbst. Wozu das alles? Und, wie schaut vor allem mein Beitrag dazu aus? Werden die Marketer der Zukunft nur mehr für das Lead Hunting bezahlt?
Ich hoffe nicht. Denn wer, wenn nicht wir Kommunikatoren haben die Aufgabe, Kommunikationsprozesse auszugestalten. Wer, wenn nicht wir, haben die Möglichkeit, einen Slogan oder ein Kommunikationskonzept, konstruktiv und sinnstiftend zu gestalten. Wer, wenn nicht wir, sollten an vorderster Front für das Symbol des Vertrauens, die Marke, kämpfen.
>> Es ist unsere ur-eigenste Aufgabe das WOZU zu klären und nicht blind jedem Hype im WAS nachzulaufen. <<
Wenn wir diese Aufgabe nicht mehr wahrnehmen, dann entwickeln wir uns zu reinen Lead Huntern, zu Performance Managern oder zu Lead Activation Managern. Funktions-Beschreibungen, die Sie und ich bestens kennen. Werfen Sie einmal einen Blick auf ein Karriereportal und Sie werden schnell merken wovon ich spreche. Der Weg ins Neue scheint geebnet.
Vieles ist noch nicht ausverhandelt, noch ist Zeit, um ein neues Bewusstsein zu schaffen, dass es nicht um Digital versus Konventional geht, sondern um das Erreichen von Zielen. Ziele, die ein Unternehmen, eine Organisation – die wir Menschen erreichen wollen.
Sollten Sie jetzt vermuten, dass ich durch meine bald 25-jährige Leitungstätigkeit im Marketing zu den Dinosauriern der Branche zähle, so widerspreche ich. Zugegeben ich zahle noch mit Bankomatkarte und nicht wie mein Mann mit der Uhr. Aber ich liebe die Vorteile der echtzeitnahen Kommunikationsmöglichkeiten (3 Kinder – 5 Plattformen) – und erkenne in vielen, neuen Instrumenten einen Benefit für uns Kommunikatoren. Aber es sind und bleiben Instrumente durch die wir als Kommunikatoren Sinnstiftendes an Zielgruppen oder Personas herantragen – oder eben nicht. Über die wir ein Markenvertrauen schaffen oder eben nicht.
> > Oder haben Sie schon einmal auf einem Piano ein Subkontra-C gespielt? <<
Das verlangt mehr denn je nach Marketers, denen es gelingt die Markenwerte eines Unternehmens in kreative Baselines von >> digilogen Kampagnen << zu verpacken. Die bereit sind Ihre Ideen und Umsetzungen auf Machbarkeit und Marktfähigkeit zu überprüfen. Die Fragen stellen, die unangenehm sind, vielleicht sogar weh tun – und so den Sinn Ihrer Arbeit und den Ihrer Kunden oder Arbeitgeber zur Disposition stellen. Die mit Hirn, Herz und Hand darüber nachdenken, gleich ob Digital oder Konventional, welches Instrument zur Zielerreichung sinnvoll einzusetzen ist oder eben nicht. Fern jeglicher Pfründe und Eigeninteressen.
Was meinen Sie, würde solch ein Vorgehen eine neue Orientierungsphase im Marketing einleiten – die Sinnorientierung?